Mit rund 300 Filmen ist die Viennale jedes Jahr Pilgerstätte für Freunde des Kinos. Das Besondere: hier stehen Spiel-, Dokumentar-, Kurz- und Experimentalfilme  gleichberechtigt nebeneinander und bilden das, was Festival-Direktor Hans Hurch jedes Jahr aufs Neue als die Vielfalt des Kinos preist.

Eine Vielfalt, die sich aus aktuellen Spielfilmen, die bereits bei internationalen Festivals wie Cannes oder Venedig überzeugen konnten, wiederentdeckten und noch zu entdeckenden Arbeiten, Filme international renommierter Regiegrößen und aufstrebender Jungregisseure sowie aus digitalem und analogen Material, das man in dieser Form eben nur im Kino erleben kann, zusammensetzt. Wer beispielsweise immer schon davon träumte, Jacques Tatis Meisterwerk „Playtime“ in der bis dato in Österreich nicht gezeigten Originalversion von 70mm zu sehen, der hat dazu heuer im Gartenbaukino Gelegenheit. Die 8mm Filme der Berliner Künstlergruppe „Die tödliche Doris“ flimmern hingegen im Eric Pleskow Saal im Metro Kino über die Leinwand.

Das im vergangenem Jahr restaurierte und modernisierte Filmtheater ist nicht nur das Lieblingskino der Kulturfüchsin, sondern wird auch heuer wieder Perlen aus dem Österreichischen Filmarchiv präsentieren, und zwar die restaurierten Filme von Robert Land. Und so können sich heuer Cineasten zu Lands Stummfilm „Ich küsse ihre Hand, Madame“ mit Marlene Dietrich und/oder „Der Fluch“ mit Lilian Harvey in die roten Kinosesseln kuscheln.

Ein Schauspieler, der weniger für seine softe Seite bekannt ist, ist Christopher Walken. Ihm gilt dieses Jahr, neben dem Experimentalfilmer Peter Hutton, ein „Tribute“. Ob der amerikanische Schauspieler, der vor allem mit seinen düsteren Charakteren Weltruhm erlangte, auch nach Wien kommen wird, ist zurzeit noch offen. Ebenfalls gearbeitet wird derzeit noch an einem möglichen Wien-Besuch Isabelle Huppert, die zumindest auf der Leinwand in Paul Verhoevens „Elle“ sicher zu sehen sein wird. Das provokative Vergewaltigungsdrama, wie es in der Presse mehrfach bezeichnet wurde, feierte seine Premiere beim Cannes Festival. Beim Sundance Festival überzeugte hingegen „Dark Night“ von Tim Sutton – ein Film der einen Tag im Leben einer Gruppe von Bewohnern einer Kleinstadt zeigt, bevor ein Kinomassaker bei der Premiere des gleichnamigen Batman-Films ihr Leben für immer verändern soll. Bis dato nur in Sundance zu sehen, war auch der neue Film von Kelly Reichardt „Certain Women“. Er wird ebenso wie Jim Jarmuschs „Paterson“ und Albert Serras „La Mort de Louis XIV“, in dem Jean-Pierre Léaud als sterbender Sonnenkönig brilliert, bei der Viennale laufen. Schnell Karten sichern, kann kein Fehler sein.

Viel Interessantes kommt dieses Jahr auch aus Österreich. Mit „Kater“ von Klaus Händl, Valentin Hitz‘ Science-Fiction-Film-Noir „Stille Reserven“ (man darf gespannt sein) und „Mister Universo“ von Tizza Covi und Rainer Frimmel gibt der österreichische Film erneut ein kräftiges Lebenszeichen von sich. Im Bereich Dokumentarfilm dürfte vor allem Maya McKechneay’s „Sühnhaus“, in dem Mensch und Haus in einen Dialog treten, interessant werden. Einer der ungewöhnlichsten Dokumentarfilme kommt dieses Jahr aus Norwegen. Für „Dugma – The Button“ gelang es Regisseur Paul S. Refsdal drei Selbstmordattentäter, die gemeinsam in einem Haus betreut und auf ihren Einsatz warten, vor die Kamera zu bekommen.

Retrospektive

Ungewöhnlich nimmt sich heuer auch die Retrospektive aus, die „Thema und Variation“ im Film behandelt. Die Idee, so Hans Hurch, war Filme zu zeigen, die aus einer Quelle schöpfen, aber unterschiedlichen Flüssen folgen. Zum Vergleich – oder auch „nur“ zum bloßen Genuss – stehen u.a. „Shurayukihme (Lady Snowblood)“ von Toshiya Fujita aus dem Jahr 1973 und Quentin Tarantinos allseits bekannter „Kill Bill: Vol I“ sowie Wiliam Wylers „Wuthering Heights“ aus dem Jahr 1939, „Abismos de Pasíon“ von Luis Bunuel (1953) und Jacques Rivettes „Hurlevent“ (1985). Schon die Retrospektive ist gewohnt umfangreich. Aber immerhin: Bis Oktober gibt es noch genügend Zeit das Programm zu studieren, auch wenn dieses aufgrund von Beschwerden überforderter Cineasten  im Vergleich zum Vorjahr um einen Tag und ca. 30 Filme kürzer ausfällt.

Viennale – Vienna International Film Festival
20. Oktober bis 2. November 2016

Nähere Informationen und Tickets (ab 15. Oktober, 10 Uhr) unter: www.viennale.at

@Fotos: Viennale

Geschrieben von Sandra Schäfer